„Eine rätselvolle Erkrankung ist der Diabetes
und nicht sehr häufig bei Menschen“
Aretiaos von Kappadonien
Bereits ca. 1500 vor Christi werden Symptome des Diabetes im Papyrus Ebers beschrieben, ohne das die Krankheit namentlich benannt wird. Ob es über 1000 Jahre vor Christi schon Diabetes mellitus gab, kann daher nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Dennoch werden in der Antike die wesentlichen Charakteristika des Diabetes beschrieben, die noch heute die entscheidende Grundlage der Erkennung dieser der Erkrankung darstellen. Es ist der griechischen Arzt Aretiaos von Kappadonien, der 100 Jahre nach Christi die Erkrankung als Diabetes bezeichnet und die wesentlichen Symptome exakt und einfühlsam beschreibt. Diese Symptome sind heute noch als Merkmale eines unbehandelten oder auch schlecht behandelten Diabetes allgemeingültig. Dazu zählen der vermehrter Harnfluss (Polyurie), ein vermehrter Durst (Polydispsie) und „Abzehrung – Fleisch und Bein schmilzt im Urin zusammen“.
Die Leitsymptome des Diabetes mellitus waren somit eindrucksvoll erfasst.
In den späteren Jahrhunderten, als Ärzte den Urin des Kranken noch verkosteten, zeigte sich, dass der Urin süß schmeckt und die Insekten anlockt. Jedoch tappen Ärzte und Wissenschaftler über Jahrhunderte weiter im Dunkeln. Der Urin schmeckt süß, das Blut schmeckt süß, aber was ist das für eine Erkrankung?
Wie so häufig in der Medizin, erwächst aus der Symptombeschreibung einer Erkrankung zuerst die Namensgebung. Rollo und Frank fügen Ende des 18. Jahrhunderts als schmückendes, möglicherweise entbehrliches Beiwort (Epitheton ornans) „mellitus“ ein.
Erst 1835 weisen Appolinaire Bouchardat und Eugène Peligot nach, dass es sich beim dem „Süßen“ um Traubenzucker (Glukose), also schlichten Zucker handelt, der bei Diabeteserkrankten sowohl im Blut als auch im Urin erhöht ist.
Ab 1835 starten die Versuche, den Zuckergehalt sowohl im Urin als auch im Blut quantitativ zu bestimmen, aber erst 1932 entwickeln Hagedorn und Jensen eine quantitative Mikromethode zur Bestimmung der Blutglukose.
1921 entdecken Frederick Bantig und Charles Best das blutglukosesenkende Hormon Insulin. Am 11. Januar 1922 beginnt die medikamentöse Behandlung der bis dahin als tödlich einzustufenden Zuckerkrankheit durch die Einführung von Insulin.
1918 beschäftigen sich zwar Forscher näher mit der blutzuckersenkenden Wirkung der Geißraute, die von den Kräuterhexlein u.a. auch zur Senkung des Blutzuckers als Teeaufguss verordnet wurden, da man festgestellt hat, dass dieses Kraut bei Tieren Unterzuckerungen auslöst. Guanedin heißt die Wirkstoffgruppe, wie die Forschungen um Watanabe belegen. Hoch toxische Substanzen, die da als Synthalin A und B 1920 auf den Markt kamen und genauso schnell wieder verschwinden. Guanidin in dieser reinen Form dient noch heute in seinen unterschiedlichen Abkömmlingen (Derivaten) zur Herstellung von Harzen, Flammschutzmitteln, Desinfektionsmitteln, Sprengstoffen.
1942 werden bei der Gabe einer bakterienhemmenden Substanz (Sulfonamide) zur Behandlung von Infektionen als Nebeneffekt Unterzuckerungen beobachtet. Man findet heraus, dass diese blutglukosesenkende Wirkung des „Bakterien Hemmer“ jedoch nur dann eintritt, wenn der Betroffene noch Pankreas Gewebe mit eigener Insulinproduktion aufweist. Da der Mensch zur Bequemlichkeit neigt und neugierig ist, lag nichts näher als diese Zufallsentdeckung weiter zu erforschen. Die Wiege für die Entwicklung von Tabletten zur Behandlung des Diabetes mellitus ist gelegt. In deutschland kennen sicher noch viele die Namen „Euglucon“ oder „Maninil“.
1957 werden als Derivate aus dem Guanedin, die Biguanide Phenformin, Buformin und Metformin erneut auf den Markt gebracht. Phenformin und Buformin wird wieder vom Markt wegen tödlicher Azidosen genommen, aber das Metformin entwickelt sich (zurecht?) zum Shootingstar und stellt heute das first line Medikament in der Behandlung mit Tabletten des Typ-2-Diabetes dar. Dazu in einem anderen Artikel dann gesondert.
Heute, 2019, sind die Behandlungs- aber auch Überwachungsmöglichkeiten des Diabetes mellitus derart vielfältig, dass man meinen müsste, alles sei in bester Ordnung. Wie wir wissen, ist dem nicht so.
Obwohl Tabletten in jeder erdenklichen Schönheit verschrieben werden, Insulin mehrfach am Tag gespritzt wird und viele Betroffene sogar folgsam den Anweisungen ihres Arzt folgen – Bewegung! und Diät! einhalten -, entwickeln viele Diabetiker im Laufe der Jahre Komplikationen.
Wir wissen, dass beim Diabetes mellitus die chronische Hyperglykämie (Überzuckerung des Blutes) der Leitbefund ist. Wir definieren Diabetes mellitus als stoffwechselbedingte (metabolische) Störungen unterschiedlichster Ursachen, deren Gemeinsamkeit eine chronische Hyperglykämie (Blutglukose Erhöhung) ist. Die darauf folgenden Störungen im Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweiß-Stoffwechsel basieren auf Defekten der Insulin Sekretion oder der Insulin Wirkung oder aus einer Kombination gestörter Insulin Sekretion und gestörter Insulin Wirkung.
Folglich heißt dass, Blutglukose runter, wenn die Blutglukose erhöht ist. Insulin, das einzige blutglukosesenkende Hormon zur richtigen Zeit in der richtigen Menge am richtigen Ort, halt wie bei einem Gesunden.
Aber macht Sie ein derartig fundamental treffender Satz schlauer? Wissen Sie jetzt was Sie tun müssen, um den Diabetes in den Griff zu bekommen?
Seit über 40 Jahren fasziniert es mich zu klären, was wir ändern müssen, um aus dieser Sackgasse, herauszukommen, denn die Blutglukose Erhöhung mit all ihren negativen unterschiedlichen Folgen auf den Stoffwechsel ist keine Ursache, sondern Folge von…ja von was????
Wir müssen umdenken, denn offensichtlich reicht Mühe und viele Pillen oder stupides, gleichmäßiges Spritzen von Insulin neben Sport und gleichmäßigem Essen nicht aus, dem Problem Diabetes Herr zu werden.
Somit hat der Spruch des griechischen Arztes Aretiaos von Kappadonien „Diabetes mellitus ist eine rätselhafte Erkrankung“ auch noch heute, fast 2000 Jahre danach, seine Gültigkeit. Wir können heute viele, je selbst molekulare Veränderungen nachweisen und somit krankhafte Zusammenhänge erklären. Wir wissen, das die beiden am häufigsten auftretenden Typen, der Typ-1- und Typ-2-Diabetes durch genetisch bedingte Überforderung ausgelöst werden. Aber was überfordert die Menschen, dass die Krankheit weltweit sprunghaft ansteigt? Denn das mit dem „nicht sehr häufig bei Menschen“ stimmt leider nicht mehr. Diabetes ist heute die häufigste nichtübertragbare Seuche der Welt geworden. Wir entwickeln uns global in Richtung von mehr als einer halben Milliarde Diabetiker. Warum ist das so? Warum steigt der Diabetes sprunghaft weltweit an? Warum sind Entwicklungsländer oder Schwellenländer stärker von einem Anstieg betroffen als stabile moderne Industriestaaten. Warum sind Minderheiten in einem Land mit traditionell anderen Lebensgewohnheiten als die Vorherrschende stärker vom Diabetes mellitus betroffen als die Bevölkerung, deren Traditionen mehr oder weniger Staatsräson sind?
Der amerikanische Physiologe Walter Cannon postulierte, dass wir einer „Weisheit des Körpers“ unterliegen. Diese „Weisheit des Körpers“, sich den Anforderungen des Daseins, dem Lebenskampf stellen zu können, ist nicht nur für die menschliche Rasse die grundlegende Voraussetzung für das Überlebensprogramm im Rahmen der Evolution. Dabei ist Glukose das Benzin, der Treibstoff für unseren Körper. Glukose ist unser wichtigster Energielieferant. Mit Glukose leben wir, mit zu viel Glukose sterben wir frühzeitiger.
Aber diese „Weisheit des Körpers“, das über Jahrtausende unter dem Dirigenten „Insulin“ gut eingespielte Team Energie Versorgung / Energie Speicherung gerät zunehmend aus den Fugen. Es gelingt immer schwerer, Körper und Geist von Phasen der Disbalance zurück in die Phasen der Balance zu bringen. Die Bedingungen der technischen Revolution in den letzten 100 Jahren drängen die menschliche Rasse und damit auch „Migranten“, die ein Land aufsuchen, dass ihren kulturell gewachsenen Lebensbedingungen nicht entspricht sowie auch Haustiere, die als Begleiter des Menschen fungieren (Katzen, Hunde), zunehmend in die Disbalance.
Beim Diabetes ist das komplexe Zusammenspiel von genetischen Faktoren, unsere „Weisheit des Körpers“, mit den sich zu schnell ändernden aktuellen Umweltfaktoren, Lebensumständen und Lebensgewohnheiten aus den Fugen geraten. Man kann auch sagen, das schnelle Verlassen des traditionellen Weges ist eine den Körper überfordernde Herausforderung. Schneller höher weiter über fordert nicht nur die Umwelt, sondern den Menschen und produziert zu Hauf Erkrankungen.
Hier die richtige individuelle Therapie und Überwachung anzusetzen ist die zentrale Aufgabe, die jedoch nur gelingen kann, wenn jeder einzelne Betroffene mitmacht.
Ich würde mich freuen, wenn meine Beiträge hilfreich sind, zumindest ein wenig den Horizont erweitern können und nicht zuletzt zur Diskussion anregen.
Da hätte ich es doch fast vergessen.
Wann spricht man vom einem Diabetes mellitus?
Hier die Werte:
- Ein frisch entdeckter (manifestierter) Diabetes liegt vor, wenn bei Gelegenheitsmessungen die Blutglukose unabhängig von der Tageszeit ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/L) oder die Nüchtern Blutglukosebestimmung ≥ 110 mg/dl (> 6,1 mmol/L) liegt. In diesen Fällen ist zusätzlich eine HbA1c Bestimmung durchzuführen. Der HbA1c Wert ist unter Laien als Langzeitzucker bekannt.
- Vom manifesten Diabetes ist das Vorstadium, die gestörte Glukosetoleranz (IGT) abzugrenzen. Hier werden Blutglukosebestimmungen nach Trinken einer standardisierten Glukose-Wasser-Lösung von 75 g erhoben. Dieser Test wird als oraler Glukose Toleranztest (oGTT) bezeichnet. Der Test ist immer dann angezeigt, wenn nicht die Zufalls-Glukose-Bestimmung oder ein erhöhter HbA1c bereits bestätigt ist, dass ein manifester Diabetes vorliegt.
Kurze Zusammenfassung für das Vorliegen eines Diabetes:
- Die Blutglukose nüchtern ≥ 126 mg/dl (≥ 7 mmol/L) liegt. Als nüchtern wird definiert, wenn 8 Stunden Nahrungskarenz eingehalten wurden.
- Die Blutglukose 2 Stunden nach Nahrungsaufnahme ≥ 200 mg/dl (≥11,1 mmol/L) erreicht oder übersteigt.
- Der HbA1c (Langzeitzucker) ≥ 6,5% (48 mmol/L) liegt und eine Verfälschung durch andere Krankheiten ausgeschlossen ist.