„Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet? Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!“ (Georg Büchner: Dantons Tod; 2. Akt, 5. Szene, 1835)

Mit 21 Jahren lässt Büchner die Flugschrift „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“  drucken. Mit 22 Jahren benennt er klar und deutlich in Dantons Tod, dass die Mehrzahl der Menschen Marionetten sind, die von Drahtziehern missbraucht werden. Kein Wunder, dass anderweitig formuliert wird:

So geht es nicht mehr weiter.
Das Volk wird unterjocht, missbraucht, abgezockt und die Bevölkerungszahl nimmt exorbitant zu. Die Ernährung ist nicht mehr gewährleistet, die Bauern borgen sich Geld, können nicht zurückzahlen, werden enteignet, müssen als Schuldenknechte arbeiten oder werden als Sklaven verkauft.
Es reicht. Das Volk wehrt sich, macht sich in Demonstrationen und Belagerungen der Regierenden Luft.

Oh nein, das ist nicht die Neuzeit, jetzt und heute, in der die Welt komplett auf den Kopf gestellt ist – Hass, Schulden, Kredite, Verarmung, Krieg – nicht nur in der Ukraine, sondern Afrika brennt, Südamerika ist ein Pulverfass und Europa zerfleischt sich gerade selbst.
Das Volk hat den tyrannischen Adel satt, will sein Schicksal selbst in die Hände nehmen und erreicht, dass die Tyrannen, die Reichen, der Adel flüchtet.  Solon, als Schlichter angerufen, legt 594 v.Chr. den Grundstein für die Demokratie, indem er den Bürgern, den Bauern, die Schulden erlässt, die Volksversammlung einberuft und auch das Volksgericht einsetzt. 
Diese erste direkte Demokratie ist mehr als 2500 Jahre alt und gilt als wegweisend bis zum heutigen Tag. In den Jahren 508/07 bis 322 v. Chr. herrschte in Athen die direkte Demokratie, knapp 200 Jahre und damit länger als jede Staatsform unserer Neuzeit. Alles, was die Stadt „Polis“ betrifft, ging den Bürger etwas an. Es wird zur Pflicht des Bürgers, seinem Staat direkt zu dienen. 
Wir sind mitten in einer Zeit 500 vor Christi im alten Athen.

Die Griechen haben die Demokratie erfunden

Nicht irgendeine Demokratie, sondern die direkte Demokratie und das ging so:

  • Der Areopag, der Adelsrat, als letzte Bastion der Aristokratie wurde entmachtet. Die Befugnisse des Adels, Überwachung der Gesetze, Verfahren bei politischen Vergehen und Beamtenkontrolle – wurden gestrichen oder auf das Volk übertragen. 
  • Es gibt keine Parteien. 
  • Es gibt keine Berufspolitiker. Mitwirkung in der Politik gilt als nicht ständiger und ausschließender Beruf. 
  • Per Losverfahren gewählte Vertreter aus dem Volk handeln stellvertretend für das Volk. Voraussetzung ist, Bürger müssen in die Bürgerlisten der Gemeinden (Demen) eingetragen sein, erwerben dadurch die Bürgerrechte und können zusätzlich an der Volksversammlung teilnehmen 
  • Jeder Bürger besitzt ein Rederecht (Isegoria) in der Volksversammlung. Zugestanden pro Bürger einmal zu einem Thema. 
  • Die Bezahlung der per Los bestimmten Volksvertreter (Beamten, Gesandten, Strategen) erfolgt über Diäten (Tagesgelder), die Perikles für den Verdienstausfall einsetzt. 
  • Die Gemeinden, die Demen, haben eine lokale Selbstverwaltung. 
  • Die Bürger Athens üben die volle Gesetzgebungs-, Regierungs-, Kontroll- und Gerichtsgewalt aus. Nicht zugelassen sind: Frauen, die dem Mann untergeordnet sind. 
    • Sklaven. Sklaven werden als Werkzeuge angesehen. Aristoteles begründet(61) „ein einzelnes Besitzstück ein Werkzeug zum Leben und der gesamte Besitz eine Menge solcher Werkzeuge und der Sklave ein beseeltes Besitzstück und alles, was Gehilfe und Diener heißt, gleichsam ein Werkzeug vor allen anderen Werkzeugen. “ 
    • Metöken (Mitbewohner) ortsansässige Fremde, Migranten. 
  • In der Volksversammlung beschließen die Bürger die Gesetze, wählen die Beamten, kontrollieren die gewählten oder durch Los bestimmten Amtsträger, prüfen deren Amtsführung und bestimmen die Richter. 
  • Berufsrichter gibt es nicht. Die Richter haben einen Eid zu leisten, der sie verpflichtet, in Übereinstimmung mit den Gesetzen sowie den Beschlüssen von Volk und Rat zu urteilen. In den Gerichtsversammlungen sind jährlich 6000 über das Los bestimmte Personen tätig, das ist in etwa einem Fünftel der Bürgerschaft. 

In der Friedensperiode zwischen dem Ende der Perserkriege und dem Beginn des Peloponnesischen Krieges stand Athen am Höhepunkt seiner Seeherrschaft, verfügte über eine vollendete demokratische Verfassung, bot seinen Bürgern Wohlstand und erstrahlte in einer beispiellosen Kulturblüte. Dieses “Goldene Zeitalter” Athens verklärten die Historiker des aufstrebenden Bürgertums zur konkreten Utopie der eigenen Sehnsucht nach einer auf Freiheit und politischen Rechten der Bürger beruhenden Harmonie von Politik, Wirtschaft und Kultur und nannten es das “Perikleische Zeitalter”. Perikles mag ein Mythos sein, aber die von Thukydides, einem athenische Historiker mit seiner am Ende des fünften Jahrhunderts verfassten “Geschichte des Peloponnesischen Krieges”. ist belegt. Thukydides bezeichnet Perikles als den führenden Mann Athens der “damaligen Zeit”.

Grabrede des Perikles als Zeugnis des Thukydides

Pericles Funeral Oration on old Greece 50 drachma (1955) banknote. Famous historical speech of Pericles at the end of first year of the Peloponnesian War. von: vkilikov

Wir leben nämlich unter einer Verfassung, die nicht die Einrichtungen anderer nachäfft; vielmehr dienen wir selber eher als Vorbild, als dass wir andere nachahmen sollten. Der Name, den sie trägt, ist der der Volksherrschaft, weil die Macht nicht in den Händen weniger, sondern einer größeren Zahl von Bürgern ruht; ihr Wesen aber ist, dass nach den Gesetzen zwar alle persönlichen Vorzüge niemandem ein Vorrecht verleihen, hinsichtlich seiner wirklichen Geltung aber jeder, wie er sich in etwas auszeichnet, im Staatsdienst seine volle Anerkennung findet: eine Anerkennung, die nicht auf Parteigetriebe, sondern auf wirklichem Verdienst ruht. Mag daher jemand arm sein, so ist ihm doch, sofern er nur dem Vaterland Nutzen zu stiften imstande ist, durch keine Niedrigkeit der Geburt der Weg zur Auszeichnung verschlossen.
Genießen wir aber so als Bürger die volle Freiheit, so beschränken wir uns auch in unserem täglichen Tun und Treiben durch keine gegenseitige Beargwöhnung; wir betrachten unseren Mitbürger nicht mit Verdruss, wenn er frei seiner Neigung folgt, und verhängen über uns keine Bußen, die uns zwar an unserem Vermögen keinen Schaden tun, aber doch das Auge verletzen.
Sodann haben wir für die Seele zahlreiche Erholungen von der Anstrengung geschaffen. Wir feiern das ganze Jahr hindurch Wettkämpfe und Feste mit Opfern; in unseren Wohnungen aber lieben wir eine geschmackvolle Einrichtung, deren täglicher Reiz düsteres Wesen von uns fernhält.
Wegen der Größe der Stadt aber wird uns aus der ganzen Welt alles, was wir wünschen, zugeführt. Wir können uns daher die Erzeugnisse anderer Länder ebenso wie die unseres Landes im Genuss aneignen.
Soll ich nun alles in wenigen Worten zusammenfassen, so ist einerseits die gesamte Stadt eine Bildungsstätte für Griechenland, andererseits wird, wie mir scheint, von unserem Geist beseelt der einzelne seine Person zugleich in größter Vielseitigkeit und anmutiger Gewandtheit tüchtig zeigen.
Daher wird uns Mit- und Nachwelt mit Bewunderung betrachten; denn wir haben von unserer Macht großen Beweis gegeben und sie wahrlich nicht unbezeugt gelassen. Und so bedürfen wir keines Homers als Lobredners, noch sonst jemandes, der durch Dichtungen für den Augenblick ergötzt, während bald die tatsächliche Wahrheit alle jene Phantasiebilder zerstören wird. Meer und Land, die wir gezwungen haben, sich unserem kühnen Unternehmungsgeist aufzuschließen, und die ewigen Denkmale unserer Anwesenheit, im Guten und im Schlimmen, die wir überall gestiftet haben, werden unsere Zeugen sein.
Denn wir lieben das Schöne mit Einfachheit und wir erfreuen uns am geistigen Genuss ohne Weichlichkeit; und wir machen von unserem Reichtum lieber im rechten Augenblick für das Leben Gebrauch, als dass wir in Worten damit prunken; und es ist für keinen eine Schande, seine Armut einzugestehen, vielmehr ist es eine Schande, ihr nicht durch Tätigkeit zu entrinnen. […]“  (Georg Peter Landmann Das Lob Athens in der Grabrede des Perikles: Thukydides II 34–41 Museum Helveticum Vol. 31, No. 2 (1974), Published By: Schwabe Verlagsgruppe AG )

Institutionell verankerte Verantwortung der Bürger

Die institutionell abgesicherte Mitverantwortlichkeit der Bürger für das Gemeinwesen wird durch Solon 594/93 v. Chr.  herbeigeführt, der zum Archonten gewählt und von der zerstrittenen Bürgerschaft als Schlichter bzw. Versöhner (Diallaktes) berufen wird. Die Ergebnisse, die durch andere Staatsmänner als direkte Demokratie vollendet werden, sind beeindruckend.

In der Demokratie Athens übt das Volk die volle Gesetzgebungs-, Regierungs-, Kontroll- und Gerichtsgewalt aus.
Die Bürger bildeten sowohl die Legislative (Gesetzgebung) als auch die Judikative (Gerichtsbarkeit) und zugleich auch die Exekutive (vollstreckende Gewalt). Aristoteles formulierte: Regieren und Regiertwerden waren eins – oder gingen “wechselweise” vonstatten.
Dennoch geht es hier nicht darum, den Ablauf im Detail zu wiederholen, sondern aufzuzeigen, dass eine direkte Demokratie, die auch als klassische Demokratie bezeichnet wird, in unserer heutigen Zeit überfällig ist und den modernen Bedingungen anzupassen ist. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die  Athenische Demokratie einen Bestand von mehr als 140 Jahren hatte (zwischen 508/07 bis 322 v. Chr). Wenn die moderne Welt dies mit den neuen Möglichkeiten  bewerkstelligt, dann sind wir allen modernen demokratischen Staatsformen, von der repräsentativen Demokratie über die konstitutionelle Monarchie, der plebiszitären Demokratie und auch einer präsidialen Demokratie überlegen.

Es mag unrealistisch klingen, die von Georg Büchner formulierte Staatsform umzusetzen:

Die Staatsform muss ein durchsichtiges Gewand sein, das sich dicht an den Leib des Volkes schmiegt. Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen der Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muss sich darin abdrücken. Die Gestalt mag nun schön oder hässlich sein, sie hat einmal das Recht zu sein wie sie ist, wir sind nicht berechtigt ihr ein Röcklein nach Belieben zuzuschneiden […] (Georg Büchner: Dantons Tod; 1835)

Dennoch, so wie jetzt, kann es nicht weitergehen. Die Welt steht säbelrasselnd erneut an einem Abgrund. Die von Atomforschern des Manhattan-Projektes initiierte Doosday Clock ist gerade jetzt wieder näher an “Mitternacht” gerückt worden. Die virtuelle Angabe heißt:A time of unprecedented danger: It is 90 seconds to midnight.” 1947, als diese virtuelle Uhr initiiert, wurde sie auf 7 Minuten vor 12.00 Uhr gestellt. Als potenzielle Bedrohungsquellen für eine “globale Katastrophe” werden nukleare Bedrohungen, Klimawandel, Bioterrorismus und künstliche Intelligenz durch die Wissenschaftler angegeben. Aber, nie vergessen, all diese Bedrohungen werden durch Menschen ausgelöst. Zunehmend kristallisiert sich heraus, dass es die Berufspolitiker sind, die sich an die Gierigen und Unverantwortlichen verkauft haben. Diesen  Agieren der Berufspolitiker muss Einhalt geboten werden und das geht nur, wenn deren Macht aufgehoben wird. und ein Berufener auf Zeit etatisiert wird.
Wie schreibt der Schweizer Professor für Volkswirtschaft Bruno S. Frey in einem Interview zum Glück, dass der Föderalismus durch „Kantönligeist“ zu pflegen ist:

„Glck hängt nicht nur vom finanziellen Wohlstand ab, sondern auch von politischen Verhältnissen. In Diktaturen sind Menschen deutlich weniger glücklich als in Demokratien. Und in Demokratien ist das Glck größer, wenn Gemeinden dezentral entscheiden können. Es gibt Länder wie Frankreich, in denen die Regierung fast alle Beschlüsse zentral fasst. So orientiert sich die Politik weniger direkt an den Brgern – das macht unglücklich.“ («Der Kantönligeist macht Menschen glücklich» – Schweiz: Standard – tagesanzeiger.ch 03.01.12)

Die Schweiz, man kann es nicht oft genug sagen, kann auf ihre direkte Demokratie, ihren “Kantönligeist seit 1874 (fakultatives Gesetzesreferendum), bekräftigt 1891 durch die Verfassungsinitiative, zurückblicken. Und nie vergessen – die Neutralität der Schweiz hat diesem föderalen Staat nicht wirklich geschadet.

Fazit:

Es lohnt sich den Blick nach vorn zu richten und eine neue Ära einzuleiten. Es ist angezeigt, die direkte Demokratie mit den modernsten technischen Mitteln zu verbinden, denn das ermöglicht, eine Zukunft auf dem Niveau des gegenseitigen Respektes zu etablieren. Wir, die Initiatoren der German Human Union, nennen es Respekt Each Other Nation (REON).
Wir werden vermitteln, welche Optionen und Möglichkeiten gegeben sind sowie welche unabdingbaren Notwendigkeiten etabliert werden müssen, den Schritt, JETZT, nach vorn zu gehen.

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