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Experience Based Medicine vs. Evidence Based Medicine 

Erfahrungsheilkunde oder Schulmedizin oder beides im Sinne einer integrative-komplementären Ganzheitsmedizin, ein seit Jahrzehnten währender Systemstreit, der einzig daran scheitert, dass bei vielen Medizinern die Breitschaft zur friedlichen Koexistenz  auf Grund mangelnden Wissens fehlt. Man kann bekanntlich nur mit dem Wissen agieren, das man sich nach und nach angeeignet hat, wobei man sich jeweils selbst in Frage stellen muss, denn Wissen ist der gegenwärtige Stand des Irrtums. 

Experience Based Medicine 

Seit Menschengedenken entwickelte sich eine ganzheitliche Erfahrungsmedizin. Erfahrung und Experiment führten über Jahrtausende zu einer induktiv-synthetischen Medizin, deren Ziel der Erhalt der Funktion ist. 

Zwei Beispiele seien für vieles stellvertretend genannt: Chinesische Akupunktur und Homöopathie. Erstere ist zunehmend durch evidente Studien-Ergebnisse erklärbar und findet schrittweise Eingang in der westlichen Medizin. Anders bei der Homöopathie, wo man anscheinend Studien aus verschiedenen Beweggründen nicht zulassen will, vielleicht könnte ja doch etwas daran sein und die gefühlte Hetze nicht der Realität entsprechen. Wie war das: Wissen ist der gegenwärtige Stand des Irrtums. 

Evidence Based Medicine 

Querdenkern ist es zu verdanken, dass aus Erfahrung gesichertes Wissen wurde. Der wohl größte Querdenker ist aus meiner Sicht, Albert Einstein. Sein großes Plus, seine Fähigkeit zum funktionellen Denken. Diese Fähigkeit pflegten auch die berühmtesten Mediziner der Geschichte wie Hippokrates von Kos, Galenos von Pergamon, Paracelsus, Samuel Hahnemann, Rudolf Virchow, Robert Koch, Albert Schweitzer, und viele weitere. Ohne jeden Einzelnen wäre die heutige evident-basierte Medizin undenkbar. 

Die Definition der Evidence Based Medicine geht auf David Sackett zurück, der diese 1997 in seinem Standardwerk definierte: „ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz (soviel wie einleuchtende, überzeugende  Gewissheit, d.V.)) für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der EBM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung. Mit individueller klinischer Expertise meinen wir das Können und die Urteilskraft, die Ärzte durch ihre Erfahrung und klinische Praxis erwerben. Ein Zuwachs an Expertise spiegelt sich auf vielerlei Weise wider, besonders aber in treffsichereren Diagnosen und in der mitdenkenden und -fühlenden Identifikation und Berücksichtigung der besonderen Situation, der Rechte und Präferenzen von Patienten bei der klinischen Entscheidungsfindung im Zuge ihrer Behandlung. Mit bester verfügbarer externer Evidenz meinen wir klinisch relevante Forschung, oft medizinische Grundlagenforschung, aber insbesondere patientenorientierte Forschung zur Genauigkeit diagnostischer Verfahren (einschließlich der körperlichen Untersuchung), zur Aussagekraft prognostischer Faktoren und zur Wirksamkeit und Sicherheit therapeutischer, rehabilitativer und präventiver Maßnahmen. Externe klinische Evidenz führt zur Neubewertung bisher akzeptierter diagnostischer Tests und therapeutischer Verfahren und ersetzt sie durch solche, die wirksamer, genauer, effektiver und sicherer sind.“

Link zur Originalliteratur der Definition Evidence Based Medicine: D. L. Sackett, W. M. C. Rosenberg, J. A. M. Gray, R. B. Haynes, W. S. Richardson: Evidence-based Medicine: What It Is and What It Isn’t. In: British Medical Journal. 312, 1996

Gezielte Vermarktung der Medizin

Daraus entwickelte sich mit zunehmender Technisierung eine kausal-analytische Medizin, mit einem vorwiegend symptomatischen Therapieansatz im Sinne der Therapie durch Reparation des Symptoms. Diese lässt sich trefflich vermarkten. Die unausbleibliche Folge ist die Spirale der heutigen Entwicklung in der Medizin zur austauschbaren Leitlinien-Therapie. Nicht mehr die eigene Erfahrung des Arztes oder der Ärztin ist gefragt, sondern Leitlinienwissen im Raster des EBM, dem Einheitlichen BewertungsMaßstab, der dritten Bedeutung des Kürzels EBM. 

Die Bedeutung von Peer-Review, nach denen die Leitlinien als Empfehlungen zum medizinischen Handeln unterteilt werden: „Der Prozess, bei dem jemand liest, überprüft und seine Meinung zu etwas abgibt, das von einem anderen Wissenschaftler oder Experten geschrieben wurde, der im selben Fachgebiet arbeitet oder zu einer Arbeit, in der dies getan wird.“ beziehungsweise ,,Nochmalige Durchsicht durch einen Ebenbürtigen’‘ Die Evidence Based Medizin ist zunehmend im Focus des politischen Diktates. So erschien beispielhaft am 13. November 2020 im British Medical Journal (BMJ), dem Flagschiff der Evidence Based Medicine, unter dem Titel:  Covid-19: Politisierung „Korruption“ und Unterdrückung der Wissenschaft – Wenn gute Wissenschaft durch den medizinisch-politischen Komplex unterdrückt wird, sterben Menschen“.

Die Gefahr, die Kunst des Arztes oder der Ärztin verkommt zur Kochbuch-Medizin. Passt der Patient nicht in das Leitlinienschema, bekommen Arzt/Ärztin und Patienten Probleme. 
Leidtragende sind die Patienten. Nutznießer die Besitzenden in diesem kranken Systems. 

Wann führt uns die Evidenz zur Vernunft … 

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