Kücheneinheiten und Abkürzungen entzaubert
Die gute alte Küche – ob deftige Hausmannskost oder feines Sonntagsgericht – lebte nie von Grammangaben und Küchenwaagen.
Sie lebte von Gefühl, Erfahrung und jenen geheimnisvollen Maßen wie:
„eine Prise“, „ein guter Schuss“, „eine Kappe Rum“, „ein gestrichener Teelöffel“, „eine Keller“ – oder auch einfach von dem Löffel, den man eben immer benutzte.
Heute wissen viele nicht mehr, was sich dahinter wirklich verbirgt – und schon gar nicht, wie viel das in Millilitern oder Gramm bedeutet.
Zeit, die traditionellen Kücheneinheiten zu entschlüsseln – bevor sie ganz verschwinden
Maße mit Maß – Warum alte Kücheneinheiten heute neu gedacht werden müssen
Für jeden, der kalorienbewusst isst oder gar mit einer Diabetesdiagnose lebt, sind ungenaue Küchenmaße nicht nur unpraktisch – sie machen eine korrekte Einschätzung von Kohlenhydraten, Kalorien und Insulinbedarf nahezu unmöglich.
Gerade bei Insulintherapie, Gliniden oder GLP-1-Wirkstoffen zählt nicht nur was gegessen wird, sondern wie viel – und wie schnell es den Blutzucker ansteigen lässt.
Eine „Kappe Rum“ oder ein „gut gehäufter Esslöffel Zucker“ mag in alten Rezepten romantisch klingen – für Menschen mit Stoffwechselerkrankungen kann sie jedoch zur Falltür in die Entgleisung werden.
Deshalb: Schnellhilfe zur Umrechnung
Besonders dann, wenn ein Rezept neu eingegeben oder umgerechnet wird (z. B. in der iCJ-App). Dann braucht es verlässliche Maßtabellen für:
- Teelöffel (TL) / Esslöffel (EL)
- Cups / Becher / Schöpfkellen
- Kappen, Prisen, Messerspitzen
- traditionelle Küchensprache wie „ein Schuss“, „ein Häubchen“, „ein Hauch“ oder „nach Gefühl”
Diese Einheiten gilt es in Milliliter, Gramm oder Kohlenhydrat-Bausteine umzurechnen – damit eigenverantwortliches Essen nicht geschätzt, sondern gewusst wird.
1 Keller (kleine Kelle, altes Maß)
Ein „Keller“ war früher ein gebräuchliches Maß für kleine Schöpfkellen – zwischen 50–70 ml.
Häufig bei Suppen, Saucen oder Gänseschmalz. Heute fast vergessen – aber in alten Rezepten noch zu finden. Wer’s kennt, schöpft besser.
Eine Kappe Rum
In alten Rezepten gern als Maß für Rumtopf, Gänsebraten, Punsch oder Gugelhupf genutzt. Klingt wenig, aber für den Blutzucker kann es viel sein! Eine Kappe Rum enthält meist 20–25 ml, je nach Flaschenform.
„Gut gehäuft“ oder „nach Gefühl“
Kann bei Rezeptangaben für Zucker 8-25 g ausmachen. Für den Blutzucker eines Diabetikererkrankten schon ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob er knapp 1 KHE oder mehr als 2 KH „nach Gefühl” in die Speise gegeben, zu sich nimmt.
Hier die Masse in Tabellenform.
Maßeinheit / Behältnis | Milliliter (ml) / Gramm (g) | Bemerkung |
1 Prise (Salz, Gewürz) | ~0,1 g (je nach Substanz) | Zwischen zwei Fingern – für feine Dosierung |
1 Messerspitze (Pulver) | ~0,3 g (z. B. Backpulver) | Extrem geringe Menge – z. B. für Muskat |
1 Kappe Rum (Spirituosenflasche) | 20–25 ml | Variiert je nach Flasche – oft ~2 cl |
1 gestrichener Teelöffel (TL) | 5 ml / ~4–5 g (z. B. Zucker) | Standardmaß für viele Rezepte |
1 gehäufter Teelöffel | 7–8 ml / ~6–8 g | Nicht empfohlen bei Diabetikern ohne Umrechnung |
1 gestrichener Esslöffel (EL) | 15 ml / ~12–15 g | Standardmaß, gut umrechenbar |
1 gehäufter Esslöffel | 20–25 ml / ~18–25 g | Oft ungenau – besser wiegen |
1 Schnapsglas | 20 ml | Klassisches Barkeepermaß |
1 Tasse (klassisch) | 150–180 ml | Hausgebrauch – nicht genormt |
1 Kaffeebecher (groß) | 250–300 ml | Typisch für moderne Haushalte |
1 Cup (US) | 236,6 ml (US Cup) | US-Maß, in Backrezepten häufig |
1 Schöpfkelle (mittelgroß) | 80–100 ml | Stark größenabhängig – lieber abmessen |
1 Fingerbreit (Glasmaß) | 15–20 ml | Visuelles Schätzmaß – sehr ungenau |
1 guter Schuss (Flüssigkeit) | 10–30 ml | Kann 1–3 EL entsprechen – stark schwankend |
1 kleiner Schöpflöffel (Suppe) | 60–80 ml | Variiert – oft ~½ Suppenkelle |
1 Keller (altdeutsch für kleine Kelle) | 50–70 ml | Altdeutsches Maß – historisch, regional |
Gefühl ja – aber mit Verstand und es gilt:
Bei Gewürzen kommt es selten auf das Gramm genau an – eine Prise mehr oder weniger Muskat macht aus einem Gericht keinen metabolischen Ausnahmezustand.
Doch bei Zucker, Mehl oder konzentriertem Alkohol kann es sehr wohl entscheidend sein, in welche Richtung sich der Blutzucker 1 bis 4 Stunden nach der Mahlzeit entwickelt.
Gerade bei Diabetes, speziell bei einer Insulintherapie oder dem Einsatz von blutzuckersenkenden Medikamenten ist Präzision gefragt.
Traditionelles Maßgefühl ist schön – aber wo Zucker wirkt, braucht es klar definierte Portionsgrößen.
Das haben auch Studien beleg:
Die sogenannte IB-PSE (Image-Based Portion Size Estimation) – also das Schätzen von Mengen anhand von Fotos oder Nahrungsmittelbildern (Nur Schätzen mit dem Augenmaß (gucken auf ein Bild) ) – ist dabei eine ziemlich ungenaue Methode oder wacklige Angabe! Das ist ungenauer als wenn einer sagt „Ich stelle mir vor, wie viel ein Esslöffel ist”.
Das ist überlieferte „Küchenintelligenz”, das weiß man gefühlt, wie viel das ist, weil es die Großeltern, Eltern oder man selbst schon 100 Mal so gemacht hat.
TB-PSE wie es modern abgekürzt so schön heißt (textbasierte – Portionsgrößen Schätzung = text based – portion site estimation) ist keine moderne Schätzmethode – sondern ein verinnerlichtes Küchenmaß, überliefert durch Erfahrung.
Zusammengefasst bedeutet das:
Tradition, Gefühl und Sprache funktionieren oft genauer als blindes Vertrauen für Portionsgrößen auf Bildern.
Gerade bei Zucker, Mehl, Alkohol und konzentrierten Kohlenhydraten darf die Wirkung auf den Blutzucker nicht unterschätzt werden.
Denn: Ein abfallender Blutzucker löst oft Heißhunger und spontane Esslust aus. Dabei verändert sich auch unsere Wahrnehmung: Portionsgrößen erscheinen plötzlich kleiner oder „nicht genug“, obwohl sie bei stabilem Blutzucker völlig ausreichend wirken würden.
Typischer Bereich für stabile Wahrnehmung: 👉 70–140 mg/dl (bzw. 3,9–7,8 mmol/l). Iin diesem Bereich bleibt der Verstand klar, das Hungergefühl realistisch
Unser Rat für Menschen mit Diabetes:
✔️ Vor der Mahlzeit den Blutzucker messen
✔️ 1–2 Stunden nach dem Essen nochmals kontrollieren
✔️ Ideal: eine kontinuierliche realtime Glukosemessung (rtCGM) mit Verlaufskurve – einfach ablesen, vergleichen, dazulernen.
Wer seine Gerichte regelmäßig ähnlich zubereitet, kann mit der Zeit verlässliche Erfahrungswerte aufbauen und mit dem Auge schätzen lernen.
So lässt sich individuell ermitteln:
– Wie stark der Blutzucker reagiert
– Welcher Spritz-Ess-Abstand (SEA / IMI) passt
– Ob die Insulindosis oder Medikamenteneinstellung angepasst werden sollte.
Auch für Übergewichtige oder Kalorienbewusste ohne manifeste Stoffwechselerkrankung – etwa bei:
✔️ beginnendem metabolischen Syndrom
✔️ erhöhtem Bauchumfang
✔️ familiärer Vorbelastung
✔️ oder im Vorstadium eines Diabetes
Warum?
Weil man mit einfachen Mitteln erkennt, wo man steht und wie sich Ernährung, Bewegung oder Medikamente auswirken
💡 Tipp:
Wie im Handbuch beschrieben:
👉 Auf den Buch-Button in der App tippen,
👉 „Gewichtskontrolle“ auswählen
👉 Verlauf regelmäßig eintragen.